Singapur, die grüne Finanzmetropole: Urban Hiking in der Green City
- Hilge Kohler
- 14. Sept. 2024
- 4 Min. Lesezeit
Zu Fuß durch die Stadt gehen und dabei eine gute Zeit haben: In Singapur soll das möglich sein. Die „Green City“ gilt als Paradies für Menschen, die Stadt und Natur gern verbinden. Zu Recht?
Bis 2050 will Singapur klimaneutral sein. Der Stadtstaat hat einen „Green Plan 2030“ veröffentlicht, in dem das Vorgehen beschrieben ist. Unter anderem sollen Bäume gepflanzt und Fassaden begrünt werden. Als Garden City oder Green City will Singapur Geschichte schreiben.

Vor drei Jahren habe ich Singapur auf der Weltausstellung in Dubai besucht. Der Stadtstaat präsentierte sich als grüne Oase. Der fünfstöckige Pavillon war begrünt bis unters Dach. Drinnen wurden seltene Orchideen ausgestellt, die eigens aus Singapur eingeflogen waren. Eine Ausstellung erklärte, wie die Stadt zur „Green City“ umgestaltet wird. Ambitioniert und interessant klang es für mich.
Jetzt war ich in Singapur vor Ort. Eine Woche lang bin ich durch die Stadt gelaufen, habe mit Bewohnern gesprochen und Stadtteile erkundet. Eigentlich wollte ich auch mit dem Rad fahren. Aber in der Innenstadt war es mir zu abenteuerlich und für die nahegelegenen Strandwege reichte mir nicht die Zeit.

Gut möglich, dass ich in einigen Jahren auch durch die Innenstadt radeln würde. Singapur plant, die Radwege deutlich auszubauen. Wie das gehen soll, konnte ich in den Räumen der Stadtverwaltung sehen, in der City Gallery. Dort stehen Infotafeln, auf denen die Pläne zur Entwicklung verschiedener Stadtteile erklärt werden. Unter anderem sind mehrere große Radstrecken sind in der Planung, darunter eine Trasse quer durch die Stadt. Die Bevölkerung ist aufgerufen, sich zu beteiligen und mitzureden.
Singapur im Dauer-Umbau

Dass Singapur im Umbau ist, zeigt sich schon an den vielen Baustellen. Land wird weiter aufgeschüttet und dem Meer abgerungen. Dabei hat die Stadt schon Um- und Ausbauten hinter sich. Vor 18 Jahren war ich zuletzt in Singapur. Damals war die Marina Bay noch Zukunftsmusik. Wo heute das Marina Bay Sands steht, schwappte das Meer an die Küste. Die Stadt hatte gut 4 Millionen Einwohner. Heute wohnen in Singapur 6 Millionen Menschen, und da, wo früher die Küste verlief, stehen Bürotürme.
Nicht allen gefällt das. Unserem Taxifahrer zum Beispiel nicht. Er fährt uns zur Mapletree Business City, einem Business District 10 Autominuten von der Innenstadt entfernt. Seine Großeltern haben dort früher gewohnt, erzählt er uns. Eine chinesische Einwandererfamilie der ersten Generation mit einem kleinen Geschäft. Dann entschied der Staat, dort zu bauen, und bot den Bewohnern viel Geld für ihre Wohnungen. Und so ein Angebot lehnt man nicht ab. Nun wohnen sie woanders - sicher nicht schlechter, aber die Community ist nicht die gleiche.

Alte Communities verfallen, neue entstehen. Nicht immer aber entstehen Communities von allein. In Hochhaussiedlungen nicht und in Bürogebieten auch nicht. Singapur hat dagegen vorgesorgt: Neue Bürokomplexe müssen mindestens 50% Wohnnutzung haben. Das können Apartments sein oder auch Hotels, wie in vielen Bürokomplexen im Marina Financial District. Jedenfalls soll auch abends und an Wochenenden Leben im District herrschen. in der Praxis gelingt das - naja, so halbwegs. Ich habe ein Wochenende im Financial District verbracht, und die Straßen waren schon ziemlich leergefegt und viele Restaurants geschlossen.
Die Green City wächst weiter

Immerhin: Grün ist es in Singapur. Hausfassaden werden begrünt. Ein Gebäude in der Innenstadt hat einen Guinness-Rekord für den höchsten vertikalen Garten gewonnen. Neue Straßen werden mit breiten Radwegen versehen und von Grünflächen gesäumt.

Ein Bauprojekt zeigt, wie Natur und Hochhaus zusammenpassen: The Interlace. Geplant wurde es von dem deutscher Architekten Ole Scheeren. Der Clou: Da die Wohnblocks aufeinander gestapelt und die Dächer begrünt wurden, entstand mehr Grünfläche, als wenn das Areal nicht bebaut worden wäre. Ich konnte The Interlace nur von weitem sehen. Aber aus der Distanz wirkte es zugänglich und fügte sich in die Umgebung ein.
Hiking stößt in der Stadt an Grenzen

Gleichzeitig dominiert in Singapur nach wie vor der Autoverkehr. Vor den Grünflächen der Marina Bay durchschneidet eine achtspurige Autobahn die Stadt. Manche Verbindungsstraßen der Innenstadt überquert man am besten unterirdisch. Kleine Nebenstraßen lassen kaum Platz für Gehwege, von Radwegen ganz zu schweigen. Taxifahrten sind so günstig, dass wir zu dritt mit Bus und Metro oft teurer gereist wären.
Vielleicht ist das unvermeidbar. Wer eine Stadt umbaut, braucht Zeit, Geld und duldsame Einwohner. Bis jetzt scheint es zu gelingen. Ist die Stadt lebenswert? Das habe ich einen Kollegen gefragt, der schon auf vielen Kontinenten gelebt hat. Von Australien über Osteuropa bis USA und Kanada. Seine Antwort, ob es ihm in Singapur gefalle: Ja, „convenient“ sei das Leben hier. Angenehm.
Convenient: Das trifft es ganz gut. Singapur ist nicht aufregend, pulsierend, überbordend vor Kreativität. Aber es ist einfach ein angenehmer Platz auf der Welt. Das gilt auch für Urban Hikers. Ja, Singapur lässt sich gut erwandern. Es ist nicht immer einfach, und Spaß macht es auch nicht immer. Aber ist das nicht bei Bergtouren genauso?
Fazit: Urban Hiking in Singapur
Ich war eine Woche lang in Singapur. Ich hätte auch eine Woche länger bleiben können. Dann hätte ich abgelegene Ziele erkundet, wäre durch neue Stadtteile gelaufen (The Interlace zum Beispiel) und am Strand entlang geradelt. Es gibt also genug zu tun für Urban Hikers, die sich vom feuchtwarmen Klima nicht abschrecken lassen.
Einige meiner Touren stelle ich demnächst im Detail vor:
Mapletree Business Park und Labrador Nature Reserve
Moderne Bürokomplexe und Chinatown
Botanischer Garten und Tanglin Village
Gardens by the Bay
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